Kürzlich ist mir schlagartig klar geworden, dass ich mich noch nie an einem Herbstgedicht versucht habe. Sicher liegt das daran, dass ich dieser Jahreszeit für gewöhnlich kaum Sympathie entgegen bringe - ich bin eher ein Frühlingsmensch.
Ich nutzte deshalb meinen bevorzugten Arbeitsplatz, die Straßenbahn, um das Versäumnis nachzuholen. Dabei entstand das folgende Werk. Das Reimschema (abaccb) habe ich meines Wissens auch noch nie verwendet. Es gefiel mir aber irgendwie gerade.
Übrigens habe ich das Gedicht aufgrund der ungewohnten Thematik zunächst auf Lyrikecke.de erprobt und verfeinert. Ich kann diese Community sehr empfehlen, bin seit vielen Jahren Mitglied.
Der Greis
Weiße Haare schweben
und welk wird manches Blatt.
Es werden schwer die Reben.
Ein hager Greis kleidet sich an,
kämmt seine Mähne, lächelt dann,
weil er's nicht eilig hat.
Schwarze Vögel hocken
auf Feldern wüst und rau.
Am Rande Äpfel locken
als Frühstück für den Alten,
und aus den tiefen Falten
reibt er sich Nebeltau.
Die Zweige glitzern eisig
wie schon im Jahr zuvor.
Es raschelt unterm Reisig.
Der Alte streckt die Glieder,
geht alle Jahre wieder
zu seines Hofes Tor.
Die Erde wird von Schnee bedeckt,
ihr Blut fließt unterm Eise.
Sie schläft nun, bis man sie einst weckt.
Gevatter Frost nimmt seinen Stock,
er schließt den weißen Wanderrock
und macht sich auf die Reise.
Der Greis von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.
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