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Dienstag, 23. Dezember 2014

Vertrocknende Zweige

Ich war immer ein Weihnachtsmuffel, aber mit Familie sieht das etwas anders aus. Strahlende Kinderaugen haben etwas Magisches, und auch meine geliebte Frau trägt eine Menge dazu bei, auch in mir so etwas wie Weihnachtsstimmung zu wecken. Nun plant man viel hin und her, und man opfert gemeinsame Zeit zugunsten eines wohl geordneten Ablaufs. Auch mich erwischt es dieses Jahr. Ich verbringe einen Abend allein zuhaus. An sich eine gewöhnliche Sache, aber nun stimmt es mich doch etwas wehmütig. Ich weiß, dass ich meine Familie morgen wieder sehe, aber heute Abend wird mir nur der festlich geschmückte Weihnachtsbaum Gesellschaft leisten. Es ist, als hätte jemand auf die Pausetaste gedrückt. Zu gern möchte ich meine Frau in den Arm nehmen, ihr sagen, dass ich sie liebe und meinem Sohn liebevoll über den Kopf strubbeln.
Wie es bei mir immer so ist, inspiriert mich diese Stimmung zu einem Gedicht.

Vertrocknende Zweige

Wehmütige Klänge schweben durch die Äste
Des geschmückten Weihnachtsbaumes
Lichter spiegeln sich in bunten Kugeln
Sie gemahnen deiner Augen

Nur ich atme den Duft des Baumes
Einsam qualmt die Räucherkerze
Doch weihnachtlicher wird es nicht
In unsrer leeren Stube

Auch wenn die Tage länger werden
Wird doch die Nacht nicht kürzer
Zu dieser Zeit ist dein Fehlen
Als hielte Weihnachten den Atem an

Noch ein Plätzchen, ein Schluck Wein
Dann geh ich in ein viel zu großes Bett
Und der Weihnachtsbaum ist nur
Ein Haufen vertrocknender Zweige

Bis ich dich endlich wieder seh

Creative Commons Lizenzvertrag
Vertrocknende Zweige von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Montag, 18. August 2014

Des Seraphen Wiederkehr

Zu den folgenden Gedichten muss ich etwas ausholen. In meiner ersten Veröffentlichung namens "AusLese" gab es eine kleine "Trilogie" (+Epilog) von Gedichten, in denen ich meine damalige Gefühlswelt zum Ausdruck brachte. Das war irgendwann im Jahr 2002 oder Anfang 2003. Ich war nach dem Schulabschluss noch ein wenig orientierungslos und... naja, meine Gefühlswelt war auch nicht gerade übersichtlich. Nur zwei Jahre später sah alles komplett anders aus: Meine Gedanken waren geordnet, ich war bereits mit der Frau zusammen, deren Ehemann ich nun bin und der ich es verdanke, ein stolzer Vater zu sein. Irgendwo in mir hatte sich ein Schalter umgelegt, der die Welt in einem völlig neuen, wesentlich positiveren Licht leuchten ließ. Da ich auch zu dieser Zeit noch literarisch aktiv war, lag es nahe, diese neu aufkeimende Lebensphilosophie in eine lyrische Form zu gießen.
Ich knüpfte direkt an die ältere Trilogie an und schrieb eine dazu passende, neue Trilogie.
Sie erschien in meiner zweiten Veröffentlichung "Und es leuchtet doch...". Bei meinen Lesungen nahm ich sie aber dennoch selten ins Programm auf, weil ich davon überzeugt war, dass sich kaum ein Leser respektive Zuhörer in diesen Zeilen selbst erkennen würde. Den Literaturnobelpreis verdient dieses Werk sicher auch nicht gerade, das war mir von Anfang an bewusst. Deshalb übersprang ich diese Gedichtserie bislang auch in diesem Blog.
Kürzlich hatte ich aber eine kleine, interessante Diskussion, in der genau diese Gedanken zur Sprache kamen: Es geht letztlich darum, dass man sich nicht einfach in einem selbst gegrabenen Loch verstecken und dann über Einsamkeit klagen kann. Auf Dauer gewöhnt man sich an dieses Selbstmitleid. Man genießt es förmlich, sich selbst zu bedauern und grenzt sich damit nur immer weiter selbst aus. Es ist eine Sackgasse, die zunächst bequem erscheint, letztlich aber einfach nur selbstzerstörerisch ist. Es bedarf nur eines kleinen Stoßes in die richtige Richtung - den kann man sich aber letztlich nur selbst verpassen. Lyrisch ausgedrückt geht das so:

Des Seraphen Wiederkehr

Funken

So saß ich nun im Dunkeln
Die Flammenflügel, die zu Asche wurden
längst verweht
Auf meinem Rücken
da sie wuchsen
tiefe Narben
Peitschenstriemen gleich
Erhob mein Haupt und fand mich blind
Nur einen Funken hatt' ich mit bewahrt
zuckend tief in meiner Brust
Ein leiser Widerhall
längst vergangnen Glückes
Wankend tappte ich voran
Ein nächtlich' Tasten nach dem nächsten Tag
So sucht' ich fieberhaft nach Wärme
bis ich verstand,
dass Ungeduld
nicht brennen kann.


Zunder

Und so setzte ich mich nieder
und besann mich meiner selbst
und der Funke wurde heller
weil ein Schatten von mir wich

Nun seh ich,
was zu sehen mir die eigne Furcht
verwehrte
Und es nimmt den Atem mir
Ich würde lachen,
wär ich nicht entsetzt,
dass ich so blind gewesen:

Ich steh vor einem Berg von Zunder
mit einer Fackel in der Hand
und klagte über Kälte!


Feuersturm

Erstarkten Blickes seh' ich nun
hinauf in gold'ne Sphären
Mit neuen Augen schau ich
den Aufgang
einer neuen Sonne
Und ich versteh:
Nur wer erblicket hat die Dunkelheit,
der kennt den wahren Wert des Lichts!

Glück und Liebe
sprengt die Brust
Der Funke, er entflammt
Feuerstellern rings umher
und Wärme trägt mich rasch empor
in liebliche Gefilde
Flammenmeere überall
Seraphenfeuer lodert
Mein Herz, es brennt so lichterloh
Und Angst und Stolz
und Furcht und Mut
und alles, was ich wieder fühl',
es haucht mir Leben ein.
Die Schwingen, sie vermiss' ich nicht
Ich hab ein Herz, was brauch ich Flügel!


Epilog

Die Euphorie verblasset leis'
sie weicht dem stillen Lächeln
Als neues Wesen blick ich zurück
auf Lehren, die der Schmerz erteilt
Hätt' ich nur dies gewusst,
wär Vieles mir erspart geblieben:
Wer selbst nicht brennt,
kann nicht entfachen
der Liebe mächt'ge Feuersbrunst
Wenn du kein Lichtlein siehst,
so musst du selbst die Flamme sein.



Wie schon erwähnt: Dieses Werk ist vom rein professionellen Standpunkt her nicht unbedingt nobelpreisverdächtig. Aber einige dieser Verse zitiere ich noch heute gern. Insbesondere die letzten beiden.

Anmerkung zur Lizenz: Dieses Gedicht erschien 2006 in der "Campus Artifex" Ausgabe 06/06, Verlag PaperOne, Titel "Und es leuchtet doch...". Da der Verlag die Ausgabe wieder aus dem Programm genommen hat (Restbestände sind über mich erhältlich), stelle ich sie hiermit unter die Creative Commons BY-NC-SA.
Creative Commons Lizenzvertrag
Des Seraphen Wiederkehr von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Rosenblatt

Mal wieder ein Liebesgedicht aus meiner Sammlung, geschrieben ca. 2006. Sicher nicht die Blüte der Dichtkunst, aber auch nicht so schlecht, dass es in Vergessenheit geraten müsste.

Rosenblatt

Im Winde tanzt ein Rosenblatt
drauf legt’ ich einen Satz
Des Anblicks werde ich nicht satt:
Es ähnelt meinem Schatz

Voller Anmut, lieblich-rein
so flattert es davon
Freier könnt’ es wohl nicht sein
als tanzend in der Sonn’

Die Kälte weicht, mir wird so warm
Ich spüre Deinen Kuss
Du nimmst mich fest in Deinen Arm,
dass ich nicht frieren muss

O lass mich nur das Flüstern sein
das ich legt’ auf das Blatt:
"Ich liebe Dich, nur Dich allein
und werd an Dir nicht satt!"

Anmerkung zur Lizenz: Dieses Gedicht erschien 2006 in der "Campus Artifex" Ausgabe 06/06, Verlag PaperOne, Titel "Und es leuchtet doch...". Da der Verlag die Ausgabe wieder aus dem Programm genommen hat (Restbestände sind über mich erhältlich), stelle ich sie hiermit unter die Creative Commons BY-NC-SA.
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Rosenblatt von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Samstag, 13. April 2013

Ewigkeit

Ungereimte Gedichte wirken auf den ersten Blick einfacher, sind aber ungleich schwerer zu schreiben als Gedichte in fester Vers- und Reimform. Der Dichter hat nichts, woran er sich beim Schreiben "festhalten" kann, kein Schema, dem er wirklich folgen muss. So muss er sich komplett auf sein Gefühl verlassen, wenn er seine Gedanken niederschreibt. Dabei muss jedes Wort und jede Formulierung perfekt sitzen, weil das Ergebnis sonst einfach nur plump wirkt. Oder wie ich es einmal (so ungefähr) angesichts eines politischen Gedichts von *dem* Günter Grass formulierte:

Untereinander
geschriebene Worte
irgendwie
in Versform verpackt
wirken nicht zwangsläufig
intelligenter
und bilden noch lange kein
Gedicht.

Man kann sagen: Wenn ich unbedingt etwas dichten will, aber gerade an Inspirationsmangel leide, reime ich. Wenn ich gerade von der Muse geküsst wurde, geht es auch ohne Reimschema. Das folgende Gedicht ist ein ganz frisches Beispiel für Letzteres.

Ewigkeit

Irgendwo
über dem Regenbogen
verglühen Sterne nicht umsonst
Sternenstaubpartikel tanzen
in den Strahlen fremder Sonnen
Finden einander,
vereinen sich
und bilden Wesen,
die sich wundern
wie sie entstanden sind

Auch in dir, mein Kind,
leben Sterne weiter
Wir sind aus Sternenstaub gemacht
Im Wissen dieses unfassbaren Glücks
sind Endlichkeit und Zeit bedeutungslos
Nach Myriaden Jahren
schauen wir hinaus ins All
und staunen

Nimm meine Hand, ich leite dich
ein Stück, bis du den Weg erkennst
und schütze dich, solang ich es vermag
Dann flieg ich weiter durch das All
und ziehe meine Bahnen immer nah bei dir
Glaube nie, du bist allein
Denn Sternenstaubpartikel
tanzen immer weiter
in die Ewigkeit



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Ewigkeit von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Das Bild "Sternenherz" steht unter CC BY-SA 2.0 - Lizenz, da es unter Verwendung von folgendem Bild aus Wikimedia Commons erstellt wurde:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AM45_-_Pleiades.jpg

Dienstag, 22. Januar 2013

tränenwert

Figurengedichte oder auch Kalligramme sind eine ideale Aufwärmübung für jeden Dichter.
Sie erfordern nur ein geringes Maß an Kreativität und können später wunderbar als dekorative Elemente in anderen literarischen Werken verwendet werden.

Hier ein simples Beispiel. Der Satz an sich ist nicht sonderlich spektakulär, bekommt aber dadurch, dass er in eine passende Form gegossen wurde, wesentlich mehr Ausdruck.

Mein Tipp: Einfach mal selbst probieren!

tränenwert

k
ei
netr
äned
ieserwe
lthatesver
dientsichihr
erzuschä
men

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tränenwert von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Mittwoch, 2. Januar 2013

Niemalsland

Dieses kleine Gedicht widme ich einer sehr wichtigen Person in meinem Leben. Diese Person wird noch ein wenig warten müssen, bis ich es ihr vorlesen kann. Bis dieses Wesen in der Lage ist, es zu verstehen, wird es vermutlich selbst schon vergessen haben, wie es dort war - im Niemalsland.

Niemalsland

Noch nie sah ich dein Angesicht
Dein Aug' sah nie die Sonne
Du ruhst in schwachem Dämmerlicht
Und kennst nur Klang und Wonne

In deiner Welt ist keine Zeit
kein Raum und kein Verlangen
Ein bloßes Sein in Ewigkeit
von Wärme nur umfangen

Sag, spürst du die Nähe meiner Hand
dort draußen in der Ferne?
Ich kenn's nicht mehr, dein Niemalsland
und wüsst' es doch so gerne

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Niemalsland von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Montag, 10. September 2012

Wenn die Sonne scheint

Heute Morgen lieferte ein befreundeter Blogger und Kollege unter dem Titel Das Lied meines Lebens einen beeindruckenden "Seelenstriptease" ab. Dabei geht es auch und vor allem um das Thema "ungesagte Worte". Ich denke, dass kaum jemand unter uns keine verstorbenen Verwandten hat, denen er gern noch etwas gesagt hätte, bevor sie gingen. Auch mir geht es so, und ich habe meine Emotionen dazu in einige meiner Gedichte einfließen lassen. Die folgenden Zeilen schrieb ich im November 2005, und es lässt sich nicht verheimlichen, dass mich das Lied "Nur zu Besuch" von den "Toten Hosen" dazu inspirierte. Ich habe heute noch einen Kloß im Hals und wässrige Augen, wenn ich es auch nur durchlese. Ermutigt durch Hennings Beitrag, möchte ich dieses Gedicht gern teilen.

Gewidmet ist es meinem Vater.

Wenn die Sonne scheint

Wenn die Sonne scheint
lässt sie dein Lächeln wieder leuchten
und der Winter ist
nur eine Jahreszeit

Wenn die Sonne scheint
denk’ ich an Sommersonnentage
die endlos waren, frei und ungetrübt
da ich mit Worten
viel zu sparsam war

Wenn die Sonne scheint
blickt sie mit deinen weisen Augen
und jeder Sonnenstrahl
fährt über meine Lider
wie die Finger deiner Hand

Kann nicht reden
denn du fehlst mir
Doch ich kann lächeln
wenn die Sonne scheint
so friedlich auf dein Grab

© by Stefan Reichelt

Anmerkung zum Copyright: Entgegen meiner Gewohnheit, alle Texte unter CC-Lizenz zu stellen, möchte ich bei diesem Werk etwas mehr Kontrolle darüber behalten, wo es auftaucht. Deshalb ist es bitte nur nach Genehmigung meinerseits zu verwenden.