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Samstag, 29. Oktober 2011

Die Mär vom kleinen Vampyr

Eines vorweg: Ich mag Halloween nicht. Ich halte es für eine lächerliche Parodie alter Bräuche, kommerziell verwertet. Aber das folgende Gedicht schrieb ich auch nicht zu einem solchen Anlass. Deshalb muss ich mich auch nicht an den genauen Termin halten, es war nur das in den Medien verstärkt auftretende Motiv, das mich an dieses Werk erinnerte.

Es ist unglaublich gruselig, und ich empfehle einen Beruhigungstee mit Baldrian, um diese schockierende Geschichte verarbeiten zu können.

Die Mär vom kleinen Vampyr

Es war einmal ein altes Schloss
mit einem dunklen Wald davor
Und ängstlich scheute jedes Ross,
das schnupperte am Gittertor

Gar weise war der Pferde Scheu,
denn drinnen haust’ zu aller Schrecken
Vampyrfamilie Nebeltreu,
um vor der Sonn’ sich zu verstecken

Der Stammbaum reichte weit zurück
bis hin zum alten Dracula
Schon lange hielt das Liebesglück
und auch ein Kindelein war da

Doch ging’s dem Sohne gar nicht gut;
der Eltern Nerven lagen blank:
Das Kind trank keinen Tropfen Blut
Drum wirkte es recht schwach und krank

Es blieben heil der Opfer Kehlen,
denn Vampyr Junior biss nicht zu
Es schien an Mitleid nicht zu fehlen
mit Mensch und Katze, Schaf und Kuh

Doch dann beim mitternächtlich’ Spiel
noch eh’ die Eltern sich’s versah’n
aus heit’rem Kindermunde fiel
ein kleiner, weißer Kinderzahn

Der Vater eilte rasch herbei,
der Junior biss ihm in die Hand
und auf des Vaters Freudenschrei
kam auch die Mutter angerannt

Von nun an trank mit großer Wonne
das Kind das Blut der Nachbarsleut’
Und blieb es immer fern der Sonne,
so beißt’s durch’s Leben sich bis heut’

Creative Commons Lizenzvertrag
Die Mär vom kleinen Vampyr von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Montag, 10. Oktober 2011

Der Greis

Kürzlich ist mir schlagartig klar geworden, dass ich mich noch nie an einem Herbstgedicht versucht habe. Sicher liegt das daran, dass ich dieser Jahreszeit für gewöhnlich kaum Sympathie entgegen bringe - ich bin eher ein Frühlingsmensch.
Ich nutzte deshalb meinen bevorzugten Arbeitsplatz, die Straßenbahn, um das Versäumnis nachzuholen. Dabei entstand das folgende Werk. Das Reimschema (abaccb) habe ich meines Wissens auch noch nie verwendet. Es gefiel mir aber irgendwie gerade.
Übrigens habe ich das Gedicht aufgrund der ungewohnten Thematik zunächst auf Lyrikecke.de erprobt und verfeinert. Ich kann diese Community sehr empfehlen, bin seit vielen Jahren Mitglied.


Der Greis

Weiße Haare schweben
und welk wird manches Blatt.
Es werden schwer die Reben.
Ein hager Greis kleidet sich an,
kämmt seine Mähne, lächelt dann,
weil er's nicht eilig hat.

Schwarze Vögel hocken
auf Feldern wüst und rau.
Am Rande Äpfel locken
als Frühstück für den Alten,
und aus den tiefen Falten
reibt er sich Nebeltau.

Die Zweige glitzern eisig
wie schon im Jahr zuvor.
Es raschelt unterm Reisig.
Der Alte streckt die Glieder,
geht alle Jahre wieder
zu seines Hofes Tor.

Die Erde wird von Schnee bedeckt,
ihr Blut fließt unterm Eise.
Sie schläft nun, bis man sie einst weckt.
Gevatter Frost nimmt seinen Stock,
er schließt den weißen Wanderrock
und macht sich auf die Reise.

Creative Commons Lizenzvertrag
Der Greis von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Wie der lösliche Zitronentee zu den Menschen kam

Beim Durchwühlen meines digitalen Archives ist mir das folgende Kuriosum in die Hände gefallen. Ich hatte selbst völlig vergessen, dass ich so etwas je verbrochen habe. Leider kann ich mich kaum noch erinnern, warum ich es schrieb, vermutlich war es eine Art Nonsense-Schreibwettbewerb zu einem vollkommen zufälligen Thema. Ich konnte nur ermitteln, dass ich es im Juli 2006 geschrieben haben muss.
Es ist albern und hat kaum einen literarischen Wert, aber trotzdem musste ich ein wenig schmunzeln. Ich möchte es meiner Leserschaft nicht vorenthalten.


Wie der lösliche Zitronentee zu den Menschen kam

Und es ergab sich dereinst zu grauen Zeiten,
dass ein furchtbares Handelsembargo
das gelobte Land heimsuchte
Und die Völker des Herrn verzagten.
„Die Kinder dursten, O Herr!
Und niemand will reines Wasser
aus der Leitung trinken, denn es schmeckt nur
nach Chlor und enthält kein Vitamin C!“
So klagten sie gen Himmel.
Da erschien ein Bote auf dem Berge
Aldimarktum. Und er trug weiße Gewänder
und war gar fürstlich anzusehn.
In seinen Händen hielt er ein gar wunderliches
Gefäß mit gelbem Schraubdeckel.
„So bringet mir Wasser, im Namen des Herrn!“,
sprach Gottes Bote mit mächtiger Stimme vom Berge.
Und das Volk brachte ihm Wasser aus dem Brunnen.

Und ein Wunder geschah auf dem Berge Aldimarktum,
denn die segnenden Hände des Engels
huben aus der Büchse mit dem gelben Schraubdeckel
ein Granulat, das das Wasser färbte.
„Trinkt, meine Kinder!“, befahl da der Engel.
Und die Menschen tranken. Es schmeckte
nach chemischen Geschmacksstoffen und Zucker.
Und der Engel verkaufte sehr preiswert viele
weitere Büchsen an das Volk Gottes.
Und die Menschen fanden, dass es gut war,
denn das Granulat war ergiebig und sorgte
für wenig Geld dafür, dass das Wasser einen anderen
Geschmack bekam.

„Was ist das, oh Strahlender?“,
frugen die Menschen den Boten voll Demut.
„Das ist löslicher Zitronentee, das schmeckt man doch!“,
sprach da der Engel und erhob sich wieder gen Himmel.
Und fortan hieß das wunderliche Granulat
„löslicher Zitronentee“.
Und die Menschen priesen Gott den Herrn, denn
er hatte sie in seiner Gnade vor dem Verdursten bewahrt.
Und er hatte Kreativität bewiesen, denn er
sah von der weniger originellen Lösung ab,
einfach das Wasser schmackhafter zu machen…

Creative Commons Lizenzvertrag
Wie der lösliche Zitronentee zu den Menschen kam von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

Sonntag, 2. Oktober 2011

Fingerzeig

Beim ersten Gedicht, das ich in diesem Monat dem Archiv hinzu füge, handelt es sich erneut um Liebeslyrik. Geschrieben habe ich es im Juni 2006, veröffentlicht wurde es bisher noch nicht.


Fingerzeig

Lass’ deine zarte Hand ein wenig noch
auf meiner Wange wärmend ruh’n
Kein Seidentuch, und sei es golddurchwirkt,
vermag den Regen meiner Seele
edler aufzuhalten
Wie sonnig wird’s um mein Gemüt,
wenn meine Nasenspitze deinen Finger grüßt
Und meine Wolken schiebst beiseite du
ie eine Daunenfeder ohne Müh’

Mein Blumenduft, mein Morgentau,
du bist der Wind, der meinen Himmel klärt
Und gleich Persephone erweckst
den Frühling du in meinem Herzen

Ich liebe deine Hand,
die mich erhebt und hält
Nimm sie nicht fort von mir
- nie wieder…

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Fingerzeig von Stefan Reichelt steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Nicht-kommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.